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Interview: „Eine Auslandsbehandlung ist mit einem enormen seelischen Aufwand verbunden.“
Petra Thorn ist Familientherapeutin und berät Paare in Kinderwunschfragen. Sie ist Vorsitzende des „Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland“.
Wie viele Kinderwunschpaare lassen sich im Ausland behandeln?
Genaue Zahlen gibt es nicht. Es sind jährlich aber sicher einige Tausend. Manche haben die Altersgrenzen überschritten, sodass die deutschen Krankenkassen sich nicht an den Kosten beteiligen. Andere wollen eine Eizellspende, die in Deutschland nicht erlaubt ist. Oder es sind lesbische Frauen, die hier keinen Arzt finden, der mit ihnen eine Befruchtung mit Spendersamen durchführt.
In einigen europäischen Ländern gibt es für die IVF und ICSI weniger gesetzliche Beschränkungen. Führen Behandlungen dort eher zum Kind?
Die Hoffnungen der Paare richten sich darauf, dass man in einigen Ländern mehr als drei Embryonen bis zum Blastozysten-Stadium heranreifen lassen kann, um dann jene mit den besten Chancen zur Weiterentwicklung auszuwählen. Letzteres ist bei uns nicht erlaubt. Die Ursachen der Unfruchtbarkeit sind jedoch oft so komplex, dass solche Verfahren allein das Problem meist nicht lösen. Einen soliden Beweis für eine höhere Geburtenrate bei Behandlungen im Ausland gibt es nicht.
Sind Auslandsbehandlungen preiswerter?
Schaut man sich die Preislisten der Kliniken im Ausland für die medizinischen Eingriffe an, sieht es auf den ersten Blick häufig so aus. Rechnet man aber alle weiteren Kosten hinzu, etwa für die Reisen, Unterkunft, Medikamente und die anderen Nebenkosten, besteht am Ende oft kein Preisvorteil mehr.
Sind Behandlungen im Ausland mit größeren medizinischen Risiken verbunden?
Ich denke, dass Paare im Ausland qualitativ nicht schlechter behandelt werden. Die meisten Ärztinnen und Ärzte tauschen sich regelmäßig mit den europäischen Kolleginnen und Kollegen aus und verfahren nach ähnlichen medizinischen Standards. Kommt es allerdings zu Komplikationen bei der Behandlung, ist die juristische Auseinandersetzung mit Ärztinnen und Ärzten im Ausland äußerst schwierig.
Warum sollte man sich vor einer Auslandsbehandlung beraten lassen?
Es ist wichtig für das Paar zu klären, wie viele psychische, emotionale und finanzielle Reserven noch da sind. Ich spreche mit dem Paar darüber, dass eine Behandlung im Ausland oft mit einem enormen seelischen Aufwand verbunden ist. Wegen der Reisen und der Organisation, weil es unter Umständen schwierig ist, sich sprachlich zu verständigen, und weil man auf ein unbekanntes Gesundheitssystem trifft. Die Frage ist zudem, ob beide Partner am gleichen Punkt sind oder Gefahr laufen auseinanderzudriften.
Gehen Frauen und Männer das Thema unterschiedlich an?
Männer sind oft zielorientierter und gehen Schritt für Schritt vor. Für viele Frauen ist dagegen der emotionale Austausch besonders wichtig. Das führt manchmal zu gegenseitigem Unverständnis. In der Beratung motiviere ich das Paar, diese Unterschiede positiv zu nutzen: Um eine Kinderwunsch-Behandlung gut zu überstehen, muss man sowohl gut planen als auch sich mitteilen können. Wenn Paare sich in ihrer Unterschiedlichkeit wieder schätzen können, schweißt sie das oft enger zusammen.
Beraten Sie auch in medizinischen Fragen?
Nein, aber ich unterstütze bei Bedarf das Paar darin, einen Fragenkatalog zu erstellen, mit dem es alle wichtigen medizinischen Fragen noch einmal mit einer Ärztin oder einem Arzt klären kann. Letztlich geht es ja um die Frage, ob eine Behandlung im Ausland medizinisch sinnvoll ist. Darüber sollte das Paar wenn möglich mit den bisher behandelnden Ärztinnen und Ärzten sprechen, auch wenn es von ihnen vielleicht enttäuscht ist. Man sollte nicht alle Türen zuschlagen.
Mit welchen Fragen kommen die Paare zu Ihnen?
Häufig haben die Paare wegen schlechter Spermienwerte des Mannes über eine längere Zeit hinweg erfolglose ICSI-Versuche erlebt. Jetzt ist die Frau Ende dreißig oder älter und entwickelt immer weniger befruchtungsfähige Eizellen. Eine in Deutschland nicht erlaubte Eizellspende im Ausland ist dann oft die letzte Hoffnung.
Die meisten Paare kommen, weil sie über die Eizellspende nachdenken und wissen wollen, welche Klinik ich empfehlen würde. Aber dies ist aus strafrechtlichen Gründen nicht möglich und aus psychologischer Sicht auch nicht sinnvoll: Die Kinderwunsch-Behandlung ist eine sehr intime Behandlung, in der es immer auch auf die persönliche „Chemie“ zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin ankommt. Daher unterstütze ich die Paare bei der Erarbeitung ihrer eigenen Kriterien für eine Klinik.
Was sagen Sie den Paaren?
Zunächst einmal informiere ich sie über die möglichen medizinischen Abläufe der Eizellspende und über die juristische Lage in verschiedenen europäischen Ländern. Sollte das Paar sich für die Behandlung entschließen, rate ich auch dazu, eine Klinik zu wählen, die aufgrund bestehender rechtlicher Regelungen gewährleistet, dass das Kind mit 18 Jahren die Möglichkeit hat, die Spenderin kennenzulernen.
Lässt sich sicherstellen, dass die Spenderin der Eizelle nicht aus wirtschaftlicher Not handelt?
Wenn Paare bei ausländischen Kliniken anfragen, wie die Spenderin ausgesucht, untersucht, versorgt und bezahlt wurde, erhalten sie oft keine befriedigende Auskunft. Man kann daher auch nicht sicher sein, dass die Spenderin nicht hormonell überstimuliert wurde, um möglichst viele Eizellen zu gewinnen.
Man weiß zum Beispiel, dass in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit die Bereitschaft junger Frauen steigt, mit einer Eizellspende Geld zu verdienen. Weil dieser Zusammenhang nicht zu leugnen ist, plädiere ich dafür, eine Eizellspende möglichst nur in Ländern in Anspruch zu nehmen, in denen die soziale Lage nicht schlechter ist als bei uns.
Unterliegen Sie auch dann der Schweigepflicht, wenn Sie Paare zu einer Eizellspende beraten? Immerhin ist sie in Deutschland illegal.
Selbstverständlich unterliegen Therapie und Beratung der Schweigepflicht. Wir haben im Beratungsverbund BKiD unter anderem auch zur Kinderwunsch-Behandlung im Ausland Richtlinien erarbeitet, die im Internet eingesehen werden können. Die Beratung ist grundsätzlich ergebnisoffen, das heißt, wir raten nicht zu einer Behandlung, aber auch nicht davon ab. Wir wollen dazu beitragen, dass die Paare eine fundierte und verantwortungsbewusste Entscheidung treffen und den Weg, den sie planen, mit Zuversicht und Selbstbewusstsein gehen können.