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Das Geburtserlebnis verarbeiten

Es ist ein einschneidendes und überwältigendes Erlebnis, wenn ein Kind zur Welt kommt. Doch manchmal verläuft eine Geburt anders, als es sich die Eltern gewünscht hätten. Dann kann die Geburt als negatives oder sogar traumatisches Erlebnis in Erinnerung bleiben. Klärende Gespräche und professionelle Hilfe können die Verarbeitung dann unterstützen.

Geburten werden unterschiedlich erlebt

© irissca/stock.adobe.com

Studien zufolge berichten 30 bis 50 Prozent der Frauen von einem positiven Geburtserlebnis. Bis zu 50 Prozent nehmen die Geburt dagegen als negativ und manchmal sogar als traumatisch wahr. Geht eine Geburt mit Freude, Selbstvertrauen und einem als positiv empfundenen Erlebnis einher, hat die Frau sich während der Geburt meist respektiert, sicher und gut aufgehoben gefühlt. Negative oder traumatische Geburtserlebnisse sind dagegen eher die Folge von quälenden Emotionen, Kontrollverlust und schlechten Erfahrungen während der Geburt. Manchmal sind sie schwer zu verarbeiten und können sich noch lange Zeit nach der Geburt auswirken. 

Zuweilen verursachen die Geburtserfahrungen auch gemischte Gefühle, so dass die Geburt nicht eindeutig als positives oder negatives Erlebnis im Gedächtnis bleibt. Hinzu kommt, dass ähnliche Bedingungen bei der Geburt von verschiedenen Frauen oft ganz unterschiedlich wahrgenommen und psychisch verarbeitet werden.

Wie kommt es zu einem negativen Geburtserlebnis?

Jede Geburt ist einzigartig und verläuft wie die Schwangerschaft ganz individuell. Manchmal passieren dabei unvorhergesehene Dinge, die alle Beteiligten unter Stress setzen. Die Mutter fühlt sich dem Geschehen dann möglicherweise hilflos ausgeliefert. Diese Erfahrung kann belastend oder manchmal sogar traumatisch sein.  

Vorfälle, die das Geburtserlebnis nachhaltig beeinträchtigen, sind zum Beispiel:

  • übermäßige Schmerzen, Angst oder Erschöpfung während der Geburt
  • das Gefühl, allein gelassen zu werden  
  • eine schlechte Kommunikation der Geburtshelfenden und Hebammen, zum Beispiel wenn diese sich abweisend und schroff verhalten, die Wünsche der Mutter während der Geburt nicht berücksichtigen oder sie in medizinische Entscheidungen nicht einbeziehen  
  • das Gefühl, als Frau „versagt“ zu haben: Komplikationen können zur Sicherheit von Mutter und Kind ein schnelles medizinisches Handeln und spezielle Eingriffe notwendig machen. Das kann ein spontaner Kaiserschnitt sein, so dass das Kind entgegen den Erwartungen nicht vaginal geboren wird. Manchmal sind bei einer vaginalen Geburt auch Hilfsmittel wie eine Zange oder Saugglocke nötig. Auch solche Eingriffe können schwierige Gefühle auslösen.
  • außergewöhnlich starke Blutungen
  • gesundheitliche Probleme beim Neugeborenen; die Sorge um ein Frühchen, das im Krankenhaus versorgt werden muss
  • schlimme Erlebnisse in der Vergangenheit: Manchmal lassen Situationen während der Geburt andere traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit wiederaufleben, bei denen ein Gefühl der Hilflosigkeit und des Kontrollverlustes aufgetreten ist. Dazu zählen auch schlechte Erfahrungen während einer früheren Geburt und die Angst, dass sich diese wiederholen könnten.

Auch begleitende Personen können belastende Erfahrungen machen

Werdende Väter, Co-Mütter und andere Nahestehende, die eine Geburt begleiten, können ebenfalls Schwierigkeiten haben, das Erlebte zu verarbeiten

In Befragungen berichten manche Väter, dass sie ein Gefühl der Ohnmacht verspürten, als sie ihre Partnerin während der Wehen leiden sahen, sie das Geschehen aber kaum beeinflussen konnten. Zum Teil fürchteten sie um das Leben von Mutter und Kind, fühlten sich machtlos und hilflos. Einige stellen auch im Nachhinein fest, dass sie nicht gut darauf vorbereitet waren, die körperlichen Aspekte einer Geburt mitzuerleben.  

Viele Väter sagen von sich, dass sie das Bedürfnis hatten oder sich verpflichtet fühlten, bei der Geburt dabei zu sein, um ihre Partnerin zu unterstützen. Manche sind mit in den Kreißsaal gegangen, obwohl sie Angst davor hatten. Darüber haben aber nicht alle mit ihrer Partnerin vorab gesprochen, weil sie dies als Schwäche empfanden oder glaubten, dadurch die Situation während der Geburt für ihre Partnerin noch schwieriger zu machen.

Mögliche Folgen einer traumatisch erlebten Geburt

Eine traumatische Geburt kann sich auch noch lange nach der Geburt auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mutter auswirken – manchmal so sehr, dass es ihr nicht gelingt, eine gute Beziehung zu ihrem Kind aufzubauen. Auch die Paarbeziehung kann unter dem Erlebten leiden. 

Zu den Anzeichen einer traumatisch erlebten Geburt zählen unwillkürliche und scheinbar endlos wiederkehrende Erinnerungen daran. Manche Mütter beschreiben es wie ein Video, das automatisch immer wieder von vorn abläuft. Einige Eltern haben Albträume, andere werden ihre Enttäuschung über das Verhalten der Hebamme, der Ärztin oder des Arztes nicht los und fühlen sich um ein positives Geburtserlebnis betrogen. Manche Mütter plagen sich mit Schuldgefühlen, weil sie glauben, bei der Geburt versagt zu haben. 

Vermutlich mehr als jede zehnte Mutter macht bei der Geburt traumatische Erfahrungen. Bei etwa jeder zwanzigsten sind die Folgen so gravierend, dass eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert wird. Dabei können die Symptome auch erst Monate nach der Geburt auftreten.

Wer kann bei der Verarbeitung einer traumatischen Geburt helfen?

Unterstützung durch den Partner oder die Partnerin, die Familie und den Freundeskreis kann dazu beitragen, ein negatives Geburtserlebnis zu verarbeiten. Der erste Schritt besteht oft darin, über das Erlebte zu sprechen und sich die davongetragenen „Narben“ bewusst zu machen.  

Sie haben aber noch mehr Möglichkeiten:

  • Manchmal hilft es, nachträglich Informationen einzuholen, um zu verstehen, was zu dem schwierigen Geburtsverlauf geführt hat. Sie können dafür das Gespräch mit der Nachsorgehebamme oder den Geburtshelfenden suchen und haben das Recht, Ihre Patientenakte und den Geburtsbericht einzusehen.  
  • Darüber hinaus haben Sie Anspruch auf professionelle Hilfe. Zögern Sie nicht, wenn Sie merken, dass Ihnen das bei der Geburt Erlebte stark zu schaffen macht: Je eher nach einer traumatisch erlebten Geburt eine psychologische Betreuung erfolgt, umso geringer ist das Risiko einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Auch noch weit nach der Geburt können Sie sich an Ihre Ärztin oder Ihren Arzt wenden, um Unterstützung zu erhalten.
  • Sind Sie der Meinung, dass sich die Geburtshelfenden Ihnen gegenüber nicht richtig verhalten haben? Dann können Sie ein klärendes Gespräch suchen. Wenn dieses Ihr Anliegen nicht ausreichend klärt, können Sie eine Beschwerde über die Behandlung in der entsprechenden Institution einreichen.  
  • Auch einen Verdacht auf Behandlungsfehler können Sie prüfen lassen.
Stand: 26.02.2025

Benyamini, Y., Delicate, A., Ayers, S., Dikmen-Yildiz, P., Gouni, O., Jonsdottir, S. S., Karlsdottir, S. I., Kömürcü Akik, B., Leinweber, J., Murphy-Tighe, S., Pajalic, Z., Riklikiene, O., & Limmer, C. M. (2024). Key dimensions of women's and their partners' experiences of childbirth: A systematic review of reviews of qualitative studies. PloS one, 19(3), e0299151. DOI: 10.1371/journal.pone.0299151  

Shorey, S., & Wong, P. Z. E. (2022). Traumatic Childbirth Experiences of New Parents: A Meta-Synthesis. Trauma, violence & abuse, 23(3), 748–763. DOI: 10.1177/1524838020977161 

Weidner, K., Bartmann, C., & Leinweber, J. (2023). Traumatische Geburt und traumasensible Geburtsbegleitung [Traumatic childbirth and trauma-sensitive obstetric support]. Der Nervenarzt, 94(9), 811–820. DOI: 10.1007/s00115-023-01510-7